Die Ehrengarde
Theodor Kammann und Günter Koschig hatten im Jahre 1952 eine folgenschwere Idee. Der Zeitpunkt war ihrer Meinung nachgekommen, in Sendenhorst das Garde-wesen einzuführen. Die zweite Kompanie, die im Allgemeinen Schützenverein St. Martinus der Stadt- und Landgemeinde Sendenhorst bereits seit 1949 bestand, vereinte nur Junggesellen in ihren Reihen. Allerdings hatte sich die Kompanie derart dezimiert, dass sich die Auflösung nicht mehr verhindern ließ. Das anschließend gebildete Bataillon ließ Junggesellen und Verheiratete nebeneinander marschieren.
Die Forderung „Eine Ehrenkompanie soll aufgestellt werden“ machten die beiden Vorläufer Theodor Kammann und Günter Koschig zu einem wichtigen Gesprächsthema im Schützenverein. Carl Lammerding, der damalige erste Vorsitzende, begeisterte sich ebenfalls bald für eine Ehrengarde und konnte sich mit dem Vorschlag identifizieren. Auch der restliche Vorstand gab den beiden aktiven Schützen freie Bahn, um die Idee zu realisieren und die Gründung intensiv zu verfolgen. Um für den Fall des vergeblichen Bemühens die große Enttäuschung zu verhindern, wurde die große Begeisterung jedoch zunächst gedämpft.
Da beide als enorme Idealisten bekannt waren wie auch als Ansprechpartner, wenn es um Belange des Schützenwesens ging, gab ihnen nicht zuletzt deshalb der Vorstand freie Bahn, um sie nicht zu verlieren. Junge Schützenbrüder wurden in der Folgezeit angeworben, die die Zielgruppe für diese Ehrenkompanie waren. Und der Erfolg stellte sich tatsächlich ein, denn die begeisterten jungen Männer warben ihrerseits wiederum in ihren Freundeskreisen. Zahlreiche Angesprochene waren sofort bereit mitzumachen. Selbstverständlich war damit die Vorstellung verbunden, dem Schützenwesen und dem Verein in einer ganz besonderen Art und Weise zu Diensten zu sein.
Nach nur wenigen Monaten hatten es Theodor Kammann und Günter Koschig geschafft: Sie hatten von der Idee bis zur Verwirklichung nicht viel Zeit verstreichen lassen und waren die anstehenden Aufgaben mit ganzem Herzen angegangen. Die Einladung zur Gründungsversammlung einer Ehrenkompanie in Sendenhorst wurde im Frühjahr 1952 verschickt. In der Kirchstraße trafen sich dann die Schützenbrüder in der damaligen Gaststätte Bröggelhoff, wo heute das Schuhgeschäft Wiedehage zu finden ist. Das Interesse war groß, was den Bataillonshauptmann Theodor Kammann und Günter Koschig natürlich hoch erfreute. Die stattliche Anzahl von 14 Männern war zur Gründungsstunde der Ehren-garde zusammengekommen.
Ein Jahr mit der Garde
Frühjahrsversammlung
Das Jahr der Garde startet mit der Frühjahrsversammlung, bei der zunächst das vergangene Schützenjahr reflektiert wird. Auch werden hier verschiedene Ämter innerhalb der Garde besetzt, unter anderem werden zwei Gardisten für die Beförderungskommission gewählt. Diese Kameraden schlagen dem Kommandeur die am Schützenfest zu befördernden Gardisten vor. Außerdem empfiehlt die Kommission auch die Verleihung des Verdienstordens der Ehrengarde an verdiente Schützenbrüder und -schwestern. Des Weiteren wird in dieser Versammlung das anstehende Schützenjahr besprochen und geplant. Wichtiger Punkt ist in jedem Jahr das eigene Schützenfest der Ehrengarde auf dem Hof Hauser, was natürlich mit viel organisatorischem Aufwand hinter den Kulissen verbunden ist. Insgesamt wird durch die Versammlung das Jahr stimmungsvoll eingeleitet.
Sammeln
Die Ehrengarde hat natürlich nicht nur interne Veranstaltungen. Ein wichtiger Termin ist die in jedem Jahr von Heinrich Wiegard organisierte und geleitete Haussammlung für den „Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge“. Zusammen mit allen Abteilungen des Vereins machen sich an drei Tagen im Frühjahr auch Ehrengardisten auf den Weg durch Sendenhorst, um ihren Teil zur Sammlung beizutragen und den Volksbund zu unterstützen.
Generalüben
Im Gleichschritt zu marschieren ist natürlich nicht einem jeden in die Wiege gelegt. Aus diesem Grund trafen sich bisher Offizierskorps und Ehrengarde zu einem gemeinsamen Üben kurz vor dem Schützenfest. Neben dem Marschieren wird hier auch ein kleiner Crashkurs in Sachen Kommandostruktur und -erteilung durchgeführt, denn die Garde ist militärisch strukturiert.
Die wichtigste Aufgabe der Ehrengarde ist die Bewachung des amtierenden Königs des Allgemeinen Schützenvereins St. Martinus Sendenhorst samt seines Hofstaates. Hierzu steht vor dem Lokal des Königs das Wachhaus der Garde. Ein jedes Thronmitglied, jeder kommandierende Offizier und der Vorstand des Vereins werden standesgemäß empfangen und gemeldet. Für diese Begrüßung wird von der Ehrengarde eine Wachabordnung bereitgestellt. Eine akkurate Wachablösung ist hier unabdingbar, diese wird ebenfalls beim Üben einstudiert. Außerdem ist dieser Abend bestens geeignet, um die sozialen Kontakte zwischen Ehrengarde und Offizierskorps zu pflegen und neue Ehrengardisten vorzustellen.
Schützenfest
Jeder Sendenhorster weiß: Das Schützenfest findet jedes Jahr über Fronleichnam von Donnerstag bis Samstag statt. Nicht für die Ehrengarde. Sie startet bereits am Dienstag mit dem Schlagen des Tannengrüns in das wichtigste Fest im Schützenkalender. Hierbei wird das für das Schmücken des Festzelts benötigte Tannengrün aus der näheren Umgebung geholt.
Nach getaner Arbeit wird selbige nach alter Gardetradition mit einem gemütlichen Beisammensein abgerundet. Dafür stellt Familie Büttendorf seit nunmehr 41 Jahren ihren Hof zur Verfügung. Als wäre das nicht schon genug, stehen jedes Jahr frisch gebackenes Brot und selbst gemachte Kräuterbutter auf dem bereits gedeckten Tisch, ein Highlight für jeden Ehrengardisten. Auch ehemalige Gardisten lassen sich es nicht nehmen, an diesem Abend das Schützenfest einzuläuten. Hierfür ein ganz herzliches Dankeschön an die Familie Büttendorf!
Weiter geht es mit dem Thronaufbau am Mittwochmittag. Der von der Garde gebaute und verwahrte Thron wird in mühevoller Arbeit errichtet. Damit nicht genug: Stets hilft ein Gardist Heinrich Tippmeier beim Binden der Krone aus Eichenlaub, die über dem Thron das Festzelt schmückt. Nach erfolgreicher Verzierung des Festzeltes wird dem König am selben Abend eine Probe des Grüns präsentiert.
Spätestens mit dem Treffen im Vereinslokal Zurmühlen an Fronleichnam fällt auch für den letzten Schützenbruder der Startschuss in die Festtage. Von dort aus verteilen sich die ersten Gardisten zu ihren besonderen Aufgaben. Dies sind zum einen die Königskorporale, die dem König von nun an über das gesamte Schützenfest zur Seite stehen. Zum anderen macht sich auch die Ehrenwache auf den Weg zum Lokal des amtierenden Königs, um dort selbigen nebst Thron und anschließend das Schützenbataillon zu empfangen.
Der Rest der Garde begibt sich zum Antreten, um traditionsgemäß das gesamte Bataillon anzuführen. Nach dem Abholen des Königs marschiert das Bataillon zum Ehrenmal, an dem ein von zwei Gardisten getragener Kranz im Namen des Vereins und zur Ehrung der Verstorbenen niedergelegt wird. Daraufhin genießt die Garde den restlichen Tag an der Vogelstange und fiebert dem neuen Schützenkönig entgegen, um ihn nach dem Fallen des Vogels hochleben zu lassen.
Nach einem langen Donnerstagabend trifft sich die Garde frühmorgens zum gemeinsamen Frühstück, um gestärkt den Gottesdienst zu besuchen. Danach steht jedes Jahr der Besuch des St. Josef- sowie des St. Elisabeth-Stifts auf dem Programm. Zurück am Festplatz, ist bald kein Gardist mehr im Zelt oder an den Bierwagen anzutreffen, denn alle wollen den Hampelmann abschießen. Der Freitagabend steht mit dem Kommers- und Kameradschaftsabend ganz im Zeichen der Schützen. Hier ehren nun alle Abteilungen ihre verdienten Mitglieder, so auch die Ehrengarde. Hier werden die Vorschläge der Beförderungskommission umgesetzt. Vor den Ehrungen muss die Garde allerdings noch durch die Wachabordnung komplettiert werden, die mal mehr, mal weniger pünktlich im Festzelt eintrifft.
Der Samstag hält für einige Gardisten eine nicht zu unterschätzende Aufgabe bereit. Diese stellen die Wachabordnung im Lokal des Königs. Der Rest der Garde tritt mit dem Bataillon am Rathaus an, um für den anstehenden Festball durch Sendenhorst zu marschieren und gemeinsam im Festzelt den Abend zu feiern. Für die meisten Gardisten endet der Samstag nach dem Ausmarsch und der Begleitung des Königspaares zum gemeinsamen Eieressen. Manch ein Gardist benötigt aufgrund dessen bis zum Thronabbau am Sonntag wenig bis gar keinen Schlaf. Nach dem Thronabbau endet das Schützenfest mit der Manöverkritik.
Ehrengardeschützenfest
Ein Schützenfest im Jahr ist einem Gardisten nicht genug. Deshalb feiert die Ehrengarde seit 1970 ihr eigenes Schützenfest. Dieses findet immer am ersten Samstag im August in einem gemütlichen Rahmen statt. Freitagsabends trifft sich die Garde auf dem Hof Hauser. Nach gemeinsamem Aufbau geht die Ehrengarde zum internen Kommers- und Kameradschaftsabend über. Herzstück des Schützenfestes ist der Samstag, der mit dem Antreten der Garde beginnt. Weil Musik genauso zum Schützenfest gehört wie der Vogel, freut sich die Garde jedes Jahr über die musikalische Unterstützung durch den Spielmannszug der SG Sendenhorst. Ebenfalls sind alle Schützenschwestern und Schützenbrüder sowie alle Bürgerinnen und Bürger herzlichst zu einem Besuch eingeladen.
Nach dem Antreten beweisen die Gardisten ihr Können an der neuen mobilen Vogelstange. Wenn sich der beste Schütze nach hartem Ringen durchsetzen konnte, wird nach der Proklamation des neuen Königspaares bis tief in die Nacht gefeiert. Ein geordnetes Abbauen am folgenden Sonntag geht aufgrund der vorherigen kurzen Nacht meist nur schleppend voran. Das Schützenfest im Jahr 2013 war ein ganz besonderes für die Ehrengarde: Sie feierte ihr 60. Jubiläum. Neben Gastvereinen aus Sendenhorst und Umgebung wurden wichtige Personen der Gardengeschichte eingeladen, mit der Ehrengarde zu feiern und Geschichten aus alten Zeiten zu teilen und neue zu schreiben.
Ehrengardefahrt
Alle zwei Jahre begibt sich die Ehrengarde auf große Fahrt. Hierfür plant der Festausschuss ein Wochenende voller Spaß. Für dieses Highlight ist der Garde kein Weg zu weit, ob nun mit dem Bulli in die benachbarten Niederlande oder mit dem Flugzeug nach Mallorca, es kommt jedes Ziel infrage. Damit auch jeder mitfahren kann und die Kosten für den Einzelnen nicht ins Exorbitante steigen, sparen die Gardisten monatlich eine gewisse Summe an. Im Jubiläumsjahr 2013 verbrachte die Garde ein grandioses Wochenende in Zandvoort, von dem sicherlich noch in einigen Jahren Geschichten erzählt werden.
Generalversammlung
Zentral im Ehrengardejahr ist die im Herbst stattfindende Generalversammlung. Auf dieser werden, anders als bei der Frühjahrsversammlung, die Vorstandsposten gewählt. Ein besonderer Höhepunkt des Abends ist die Aufnahme neuer Mitglieder in die Garde. Hierfür wird unter anderem traditionsgemäß ein alkoholfreier Aufnahmetrunk serviert, der in einem Zug zu leeren ist.
Weihnachtsfeier
Als Jahresabschluss trifft sich die Garde im Dezember zu einer Weihnachtsfeier. Diese wird vom Festausschuss der Garde organisiert, jedoch kennt kein anderer Gardist den Ablauf oder den endgültigen Ort. Diese kennt nur der Festausschuss, sodass diese Veranstaltung immer die ein oder andere Überraschung bereithält. Dies sind nicht alle Veranstaltungen, an denen die Ehrengarde des Allgemeinen Schützenvereins St. Martinus Sendenhorst teilnimmt. Sie ist auf allen Feiern und Terminen des Vereins anzutreffen. Und spätestens am Ende des Jahres kann die Ehrengarde den Beginn des nächsten Schützenjahres kaum erwarten.